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Was haben Trauma, ADHS, ADS und Hochsensibilität gemeinsam?

Fühlst du dich manchmal überreizt, innerlich getrieben oder einfach «anders»? Ob Trauma, ADHS, ADS oder Hochsensibilität – sie alle haben eines gemeinsam: ein Nervensystem, das nicht falsch ist, sondern besonders. Dieser Artikel schenkt dir Verständnis für dein inneres Erleben – und vielleicht einen ersten Schritt in Richtung mehr Selbstmitgefühl. Ein Blick auf das Nervensystem und die innere Welt sensibler Menschen

ADHS, HSP und Trauma – was sie verbindet

Viele Menschen fühlen sich «anders». Sie sind schneller überreizt, benötigen mehr Rückzug und reagieren besonders empfindlich auf Lärm, Erwartungen oder Kritik. Einige haben eine Diagnose wie ADHS oder ADS, andere beschreiben sich selbst als hochsensibel. Und wieder andere spüren, dass frühere Erfahrungen – bewusst oder unbewusst – Spuren in Ihrer Seele hinterlassen haben. Vielleicht kennst du das auch. Was all diese Phänomene verbindet: Sie betreffen das Nervensystem.

Ein Nervensystem unter Druck

Frühkindliche Belastungen, eine dauerhaft angespannte Umgebung, unerkannte Reizoffenheit oder Konzentrationsprobleme: All diese Faktoren wirken auf unser autonomes Nervensystem. Es ist der Teil in uns, der ständig entscheidet, ob wir sicher sind oder nicht. Ob wir entspannen können oder innerlich auf Alarm geschaltet sind. Ob wir präsent bleiben oder abschalten, weil es zu viel wird.

Menschen mit Traumaerfahrungen, ADHS, ADS oder Hochsensibilität haben oft ein Nervensystem, das besonders schnell auf Reize reagiert und rasch in einen Zustand wechselt, der nicht Verbindung, Lernen oder Ruhe fördert, sondern Überleben sichern soll.

Gemeinsamkeiten, die verbinden

Was diese Zustände auf Nervensystemebene oft gemeinsam haben:

  • Schneller Wechsel zwischen Aktivierung und Erschöpfung
    (z. B. zwischen innerem Getriebensein und Rückzug oder Lähmung)
  • Schwierigkeit, in Ruhe zu bleiben, obwohl genau das ersehnt wird
    (das System «kippt» oft, ohne dass wir es bewusst steuern)
  • Starke Wahrnehmung – aber wenig Selbststeuerung
    (z. B. intensive Emotionen, Körperempfindungen oder Gedankenfluten)
  • Körper als Fremdraum oder Überforderung
    (z. B. bei Trauma oder Hochsensibilität – spüren wird anstrengend statt hilfreich)
  • Hohe Wachsamkeit – auch ohne konkreten Auslöser
    (die Welt «fühlt sich oft viel» an)

Diese Reaktionen sind keine Schwächen. Sie sind Anpassungsstrategien eines Nervensystems, das versucht, mit der Welt zurechtzukommen – auf seine Weise.

Psychoedukation: Verstehen, was in dir geschieht

Wenn wir verstehen, wie unser Nervensystem funktioniert, warum wir so reagieren, wie wir reagieren, warum Nähe manchmal schwerfällt oder Ruhe sich beunruhigend anfühlt, dann entsteht Raum. Raum für Mitgefühl, für Verständnis – und für uns selbst.

Diese Erkenntnis ist keine Lösung, aber oft ein erster heilsamer Schritt. Denn: Nichts an dir ist falsch. Vielleicht ist es einfach noch nicht in Sicherheit.

Was hat unser Nervensystem mit Stress zu tun?

Stress ist mehr als ein Gedanke. Er beginnt nicht im Kopf, sondern tief im Körper. Dein autonomes Nervensystem entscheidet in Bruchteilen von Sekunden, ob du sicher bist oder nicht – ohne dein bewusstes Zutun. Es steuert Herzschlag, Atmung, Muskelspannung und bestimmt blitzschnell: bleiben, kämpfen, flüchten oder erstarren.

Die vier Stressreaktionen auf einen Blick

Unser Nervensystem reagiert in belastenden oder überfordernden Situationen mit einem von vier Schutzprogrammen («4 Fs»):

1. Fight – Angriff
Du gehst in Konfrontation. Wirst laut, wütend, kontrollierend.

2. Flight – Flucht
Du willst weg. Wirst rastlos, vermeidest, ziehst dich zurück.

3. Freeze – Erstarrung
Du spürst dich kaum. Funktionierst nur noch. Fühlst dich leer oder gelähmt.

4. Fawn – Gefallen / Anpassen
Du passt dich an, wirst überfreundlich, verlierst deine Grenzen.

Diese Reaktionen laufen automatisch ab. Sie sind tief verankerte Schutzmechanismen, entwickelt, um in Sekundenbruchteilen auf Bedrohung zu reagieren.

Und was ist überhaupt «Gefahr»?

Für das Nervensystem macht es keinen Unterschied, ob die Bedrohung real (z. B. ein heranfahrendes Auto) oder emotional ist (z. B. Ablehnung, Überforderung, Kritik). Beides kann Alarm auslösen. Was als gefährlich empfunden wird, ist individuell – geprägt von Erfahrung, Sensibilität und Biografie.

Warum dieses Wissen heilsam ist

Wenn du erkennst, dass deine Reaktionen Schutz sind – nicht Schwäche – beginnt etwas Entscheidendes: Du wirst freundlicher mit dir.

Vielleicht ist dein Nervensystem nicht überfordert, sondern überangepasst. Nicht gestört, sondern erschöpft. Dieses Verständnis öffnet die Tür zu einem neuen Blick auf dich selbst:

  • mit Verständnis statt Härte
  • mit Neugier statt Urteil
  • mit Mitgefühl statt Scham

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