uebungen zur selbstregulation
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Selbstregulation – Wie du dein Nervensystem stärken kannst

Ein überreiztes Nervensystem lässt sich nicht mit Willenskraft kontrollieren – aber es lässt sich einladen, sich sicher zu fühlen. Der Schlüssel dazu liegt in der Selbstregulation: kleine, regelmässige Übungen, die deinem Körper signalisieren, dass kein Alarm mehr nötig ist. Wenn du dich oft angespannt, innerlich abgeschnitten oder schnell überfordert fühlst, können einfache Übungen helfen, dein System in Balance zu bringen.

Warum Selbstregulation so wichtig ist

Wenn unser Nervensystem dauerhaft im Alarmzustand bleibt – sei es durch Stress, Überforderung oder alte Muster – hat das weitreichende Folgen: Schlafstörungen, Erschöpfung, Ängstlichkeit oder körperliche Beschwerden können entstehen. Umso wichtiger ist es, einen Zugang zu innerer Sicherheit zu finden. Denn: In einem regulierten Zustand kann unser Körper regenerieren, unser Geist klar denken und unser Herz sich öffnen.

Die Sprache des Nervensystems verstehen

Unser Nervensystem spricht nicht in Worten – es kommuniziert über Empfindungen, Atem, Spannung, Bewegung. Deshalb wirken körpernahe Übungen oft direkter und nachhaltiger als rein kognitive Methoden. Wenn du beginnst, dein inneres Erleben bewusst wahrzunehmen und kleine Signale zu erkennen, kannst du lernen, aktiv Einfluss zu nehmen – statt passiv zu reagieren.

Von der Co-Regulation zur Selbstregulation

Besonders in der frühen Kindheit lernen wir Regulation über Beziehung. Ein feinfühliger Mensch – oft eine Bezugsperson – hilft dem Kind, mit intensiven Gefühlen umzugehen. Dies nennt man Co-Regulation. Mit der Zeit wird diese Fähigkeit internalisiert und bildet die Grundlage für Selbstregulation. Fehlt diese Erfahrung oder war sie inkonsistent, kann es im Erwachsenenleben schwerfallen, sich selbst zu beruhigen. Die gute Nachricht: Es ist nie zu spät, das zu lernen.

Fünf einfache Übungen zur Selbstregulation

1. Bewusste Atmung
Setze dich bequem hin, lege eine Hand auf den Bauch und atme tief durch die Nase ein. Spüre, wie sich dein Bauch hebt. Atme langsam durch den Mund aus – länger als du eingeatmet hast. Diese verlängerte Ausatmung aktiviert den parasympathischen Zweig des Nervensystems und unterstützt die innere Beruhigung.

2. Vokalisation – Töne für dein Nervensystem
Singen, Summen oder Brummen stimulieren den Vagusnerv über die Stimmbänder. Nimm dir täglich ein paar Minuten Zeit, um deine Stimme zu nutzen – auch leises Summen genügt. Es beruhigt, zentriert und fördert die Selbstwahrnehmung.

3. Soziale Verbindung
Echte Verbindung wirkt regulierend. Ob ein achtsames Gespräch, Augenkontakt, eine liebevolle Berührung oder Umarmung – all das vermittelt deinem Nervensystem Sicherheit. Selbst eine innere Erinnerung an eine vertraute Person kann beruhigend wirken.

4. Achtsamkeit im Moment
Nimm dir einen Moment, um bewusst im Hier und Jetzt anzukommen. Spüre deine Füsse am Boden, den Kontakt zur Sitzfläche, höre auf die Geräusche um dich herum. Lass deine Gedanken vorbeiziehen, ohne sie zu bewerten. So stärkst du deine Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung – ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstregulation.

5. Körperliche Bewegung
Sanfte Bewegung – wie Spazierengehen, Dehnen, Yoga oder Tanzen – unterstützt den Abbau von Anspannung und bringt dein Nervensystem in Balance. Auch rhythmische Bewegung wie Schaukeln oder Wiegen kann sehr beruhigend wirken.

Dr. Isa Grüber

Selbstregulation vertiefen – die Kraft der Regelmässigkeit

Viele Menschen hoffen auf eine grosse Übung, die alles verändert. Doch der Schlüssel liegt nicht im Besonderen, sondern im Wiederholen. Selbstregulation ist wie ein Muskel, der trainiert werden darf – durch kleine, wiederkehrende Impulse, die dem Nervensystem zeigen: Du bist jetzt sicher.

Die folgenden Prinzipien können dir helfen, dein Übungsfeld nachhaltig zu gestalten:

  • Weniger ist mehr: Lieber täglich 2 Minuten bewusstes Atmen als einmal pro Woche eine lange Session.
  • Verbindung vor Technik: Es geht nicht darum, Übungen „richtig“ zu machen, sondern mit dir selbst in Kontakt zu kommen.
  • Rituale schaffen Sicherheit: Ob ein Atemzug vor dem Frühstück oder ein achtsamer Blick nach draussen – Rituale geben Orientierung.
  • Selbstmitgefühl als Basis: Wenn eine Übung nicht wirkt oder du unruhig wirst, ist das kein Rückschritt. Dein System zeigt dir gerade, was es braucht: liebevolle Aufmerksamkeit.

Wenn du dranbleibst und dein Nervensystem immer wieder an Sicherheit erinnerst, verändert sich nicht nur dein innerer Zustand – auch deine Reaktionen, deine Beziehungen und dein Umgang mit Stress wandeln sich.
Das ist keine schnelle Lösung. Aber ein stiller, kraftvoller Weg zu dir selbst.

Inspiration für deinen Alltag

Stell dir Selbstregulation vor wie das Gärtnern:
Du säst heute, was morgen Wurzeln schlägt. Vielleicht spürst du nicht sofort eine Veränderung – aber dein Körper merkt es sich.
Mit jedem Moment der Achtsamkeit, mit jeder bewussten Ausatmung wächst etwas in dir: Ruhe. Verbindung. Vertrauen.

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