koerper als schluessel zum menschsein
|

Der Körper als Schlüssel zum Menschsein – warum wahres Verstehen im Spüren beginnt

Wir leben in einer Welt, in der Wissen hoch geschätzt wird. Wir wollen verstehen, analysieren, erklären – am liebsten sofort und vollständig. Doch wie oft führt genau dieses Bemühen dazu, dass wir uns noch mehr im Kreis drehen? Wir denken, um endlich zur Ruhe zu kommen, und merken nicht, dass gerade das viele Denken uns von der Ruhe entfernt.

Wenn Denken nicht mehr weiterführt

Viele Menschen erleben das: Sie wissen eigentlich «alles» – über sich, über ihre Muster, über ihre Vergangenheit – und fühlen sich doch innerlich leer oder abgeschnitten. Das Herz bleibt eng, der Körper angespannt, der Atem flach. Das liegt daran, dass Verstehen allein nicht genügt. Denn das Menschsein erschöpft sich nicht im Denken. Es beginnt tiefer – im Körper.

Der Körper als lebendige Erinnerung

Unser Körper ist nicht einfach eine Hülle, die wir bewohnen. Er ist eine Landkarte unserer Geschichte. Jede Haltung, jede Bewegung, jede Verspannung erzählt etwas über das, was wir erlebt haben. Der Körper erinnert sich an Situationen, in denen wir Angst hatten, in denen wir uns zurückziehen mussten oder keine Wahl hatten, als zu funktionieren. Diese Erinnerungen sind oft nicht im Kopf gespeichert, sondern im Gewebe, in der Atmung, in der Muskulatur. Das Nervensystem hat gelernt, uns zu schützen – mit Anspannung, Erstarrung oder Rückzug.

Wenn wir also den Körper begreifen, beginnen wir, diese Sprache wieder zu verstehen:
Zittern kann Entlastung sein, Tränen können Regulation bedeuten, und Müdigkeit kann ein Signal von Sicherheit sein, nachdem der Körper lange in Alarm war.

gesundheitspraxis sarton header4
Tamara Sarton

Vom Kopf ins Erleben – eine neue Art des Begreifens

«Begreifen» bedeutet ursprünglich «mit den Händen erfassen». Und genau das fehlt vielen Menschen: die sinnliche Erfahrung, das Spüren, das wirkliche Wahrnehmen.

In einer traumasensiblen Arbeit steht daher nicht das Reden im Vordergrund, sondern das Erleben im Hier und Jetzt. Wenn du deinen Atem spürst, die Füsse auf dem Boden, oder eine kleine Bewegung bewusst wahrnimmst, beginnst du wieder, dich selbst zu fühlen. Das Nervensystem bekommt neue Informationen: Ich bin sicher. Ich darf hier sein.

In solchen Momenten entsteht ein anderes Verstehen – kein kognitives, sondern ein körperlich erlebtes Begreifen. Und das verändert alles, weil der Körper zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterscheiden lernt.

Menschsein bedeutet, zu fühlen

Das Menschsein zu begreifen heisst, sich wieder als fühlendes Wesen zu erfahren. Viele von uns wurden früh darauf trainiert, Gefühle zu kontrollieren oder zu verdrängen: «Reiss dich zusammen», «sei stark», «sei vernünftig».

Doch in Wahrheit braucht es Mut, um zu fühlen. Mut, den Körper zuzulassen – mit seiner Lebendigkeit, seiner Zartheit, seiner Wahrheit. Denn alles, was wir unterdrücken, bleibt nicht verschwunden, sondern lebt in uns weiter – als Verspannung, Unruhe, Schlaflosigkeit oder diffuse Angst.

Wenn wir beginnen, den Körper wieder als Verbündeten zu sehen, kann sich etwas Grundlegendes wandeln. Dann wird das, was wir «Symptome» nennen, zu Wegweisern. Und das, was wir vermeiden wollten, zu einem Tor, das uns näher zu uns selbst führt.

Vom Überleben zum Erleben

Wenn du dich wieder im Körper verankerst, öffnest du die Tür zu Lebendigkeit. Du darfst Freude spüren, Leichtigkeit, Wärme – aber auch Trauer, Wut, Müdigkeit. Alles gehört dazu. Das ist das Menschsein: widersprüchlich, lebendig, verletzlich, kraftvoll. Und erst, wenn du dich in all dem annehmen kannst, entsteht wirkliche Heilung.

Tamara Sarton

Integration – Körper, Geist und Seele

Der Körper ist das Fundament, auf dem sich Bewusstsein entfalten kann. Er ist das Zuhause für Geist und Seele – das Gefäss, in dem Erfahrung Form annimmt. Wenn wir uns mit ihm verbinden, verbinden wir uns auch mit dem Leben selbst.

Dann wird Denken nicht länger zum Ersatz für Fühlen, sondern zu einem Werkzeug, das uns dient. Dann wird Bewusstsein nicht mehr zur Flucht, sondern zur Verkörperung. Das Begreifen des Körpers ist der Weg zurück zu uns selbst – zu Präsenz, Selbstmitgefühl und innerer Ruhe.

Und was, wenn Spüren schwerfällt?

Körperwahrnehmung ist kein Talent – sie ist ein Prozess. Auch wenn du dich manchmal abgeschnitten, angespannt oder innerlich leer fühlst: Dein Körper kann neue Wege lernen. Unterstützend wirken körperzentrierte Meditation, liebevolle Begleitung und Räume, in denen du dich sicher fühlen darfst. Es geht nicht darum, etwas zu leisten – sondern darum, deinen Körper neu zu erforschen: neugierig, achtsam und ohne Druck.

Diese Räume laden dich ein, dich selbst wieder kennenzulernen – in deinem Tempo, mit Mitgefühl und in einem sicheren Rahmen. Denn der Körper vergisst nichts – aber er kann neu erfahren, was Sicherheit bedeutet. Schritt für Schritt.

Beliebte Beiträge